Die Theorie
Der Begriff “Community of Practice” stammt aus den achtziger Jahren und geht auf den Sozialforscher Etienne Wenger zurück.
Nach ihm ist eine Community of Practice (CoP) eine Gruppe von Menschen, die sich gemeinsam etwas erarbeiten oder erlernen, weil sie aufgrund dieser regelmäßigen Interaktion besser lernen bzw. davon profitieren.
Als Beispiele für CoP nennt er: eine Künstlergruppe, die gemeinsam nach neuen Ausdrucksformen sucht; eine Gruppe von Ingenieuren, die an ähnlichen Problemen arbeitet; eine Schülergruppe, die ihre Identität in der Schule definiert. Diese Definition der CoP lasse absichtliches Lernen zwar zu, setze es aber nicht voraus (vgl. Wenger 2009).
Drei Charakteristika einer CoP seien entscheidend :
- Das Interessensgebiet (Domain): Eine CoP ist nicht nur ein Freundeskreis oder ein soziales Netzwerk. Eine CoP hat eine Identität, die durch ein gemeinsames Interessensgebiet definiert ist.
- Die Gemeinschaft (Community): Da die CoP-Mitglieder gleiche Interessen verfolgen, beteiligen sie sich an gemeinsamen Aktivitäten und Diskussionen, helfen einander und teilen Informationen. Interaktion ist nach Wenger ausschlaggebend für eine Community of Practice. Dabei ist es unwichtig, wo sie sich treffen (Impressionisten trafen sich beispielsweise häufig in Cafés, arbeiteten jedoch allein zu Haus) und wie oft sie sich treffen (es müssten laut Wenger keine täglichen Treffen sein).
- Die Praxis (Practice): Wichtig sei, dass die Mitglieder einer CoP Praktiker sind. Sie entwickeln eine Ansammlung von Ressourcen wie Erfahrungen, Geschichten, Werkzeuge und Problemlösekompetenzen, indem sie ihr Wissen teilen.
Die Kombination dieser drei Elemente mache laut Wenger eine CoP aus (vgl. Wenger 2009). Zudem ist wichtig, dass es in einer CoP keine Hierarchie gibt und die Mitglieder eine unterschiedlichen Wissensstand haben (können). Vermutlich profitieren die Mitglieder einer CoP gerade deshalb voneinander.
Im Zusammenhang mit der CoP wird häufig auch das situierte Lernen erwähnt.
Die Theorie des Situierten Lernens (auch situierte Kognition) berücksichtigt den nicht zu vernachlässigenden Aspekt der sozialen Verankerung individuellen Lernens. Jean Lave und Etienne Wenger waren federführend in der Weiterentwicklung der Idee.
Jean Lave (PhD) ist eine US-amerikanische Professorin für Ethnographie, Soziologie und Anthropologie an der University of California,Berkeley (vgl. Wikipedia/ Jean Lave 2009).
Leitgedanken waren vor allem die Bedeutungsaushandlung, der situierte Kontext einschließlich der Theorie der Communities of Practice sowie die Identitätsentwicklung als eines der Hauptziele des Lernprozesses für den lernenden Menschen. Zudem wird angenommen, dass sich der soziale Kontext, der individuelles Lernen ermöglicht, mit dem lernenden Menschen weiterentwickelt (vgl. Wikipedia/ Situiertes Lernen 2009). Als Anwendungsbeispiel wird die Gestaltung einer Lernsituation und eines Lernumfeldes genannt, was meiner Meinung nach ein Verknüpfungsansatz zur PLE sein könnte. Da die Theorie des situierten Lernens davon ausgeht, dass Wissen bei Lernenden durch einen aktiven Konstruktionsprozess neu entsteht, können hier Konsequenzen für die Gestaltung von Lernumgebungen, wie beispielsweise der PLE, gezogen werden.
Wenger, Etienne (2009): URL: http://www.ewenger.com/theory/index.htm (letzter Zugriff: 18.1.10)
Wikipedia/ Jean Lave (2009): URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Lave (letzter Zugriff am 18.1.10)
Wikipedia/ Situiertes Lernen (2009): URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Situiertes_Lernen (letzter Zugriff am 18.1.10)
Verknüpfung
In der letzten Seminarsitzung haben wir gemeinsam überlegt, welche Gemeinschaften man zu einer Community of Practice zählen kann und welche nicht. Hier die Ergebnisse unserer (teilweise recht ausgedehnten) Diskussionen:
Seminar: Ein (universitäres) Seminar, wie z.B. unseres, kann für eine gewisse Zeit eine CoP sein, vor allem wenn es um Projektarbeiten geht.
Schulklasse: Schulklassen sind nicht automatisch CoPs, wegen des Aspekts “Zwang”. Die Schüler sind nicht freiwillig in der Klasse (Schulpflicht) und stehen unter Zensurendruck. Finden jedoch Kleingruppenarbeiten; AGs und Projektarbeiten statt, bei denen sich die Schüler vielleicht sogar über den schulischen Rahmen hinaus regelmäßig treffen und etwas erarbeiten, so handelt es sich um eine CoP.
Haiti: Nur weil die Einwohner Haitis gerade das selbe Schicksal erleiden müssen, bilden sie nicht automatisch eine CoP. Einzelne Helfergruppen oder andere Gemeinschaften (auch Einwohner), die zusammen an etwas arbeiten oder organisieren, würden aber vermutlich eine CoP bilden.
HVV-Bus: Die Fahrgäste eines HVV-Busses bilden definitiv keine CoP, denn das gemeinsame Ziel, an einem bestimmten Ort anzukommen, reicht dafür nicht aus.
Sportverein: zählt nur bedingt zu einer CoP. Auch hier sind wieder nur sogenannte Untergruppen, also einzelne Sportgruppen oder der Vereinsvorstand, unter bestimmten Bedingungen (Planung einer Veranstaltung, Anstreben eines gemeinsamen Ziels) jeweils eine CoP.
Familie: Eine Familie ist nicht automatisch eine CoP, sondern erst wenn sie gemeinsam an einem Thema arbeiten, z.B. die Wohnung verschönern wollen.
Meine eigene CoP:
Einmal in der Woche treffe ich mich mit 4-5 Kommilitonen, um mich über die anstehende Prüfungsphase auszutauschen. Wir haben alle einen unterschiedlichen Wissensstand zu diesem Thema, weshalb jeder etwas anderes dazu beitragen kann und so jeder vom anderen profitiert. Da unsere Gruppe das gleiche Ziel verfolgt (die Prüfungsphase besser planen können), wir uns freiwillig treffen, voneinander lernen und uns gegenseitig helfen, würde ich unsere Gruppe als CoP bezeichnen.
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